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Ausländer in den Arbeitsmarkt integrieren

Experten-Forum im Landratsamt zur Fachkräfte-Integration und zum neuen Einwanderungsgesetz

Passauer Neue Presse - 24.02.2020

Passau. Den hiesigen Betrieben mangelt es an Fachpersonal. Im Vorgriff auf das beschleunigt regelnde Fachkräfte-Einwanderungsgesetz (FEG), es gilt ab März, haben sich vergangene Woche Chefs, Betriebsräte und kommunale Verantwortliche im Landratsamt zu einem "Fachkräfte Forum" getroffen.

An Integration in der Praxis feilen

An Integration in der Praxis feilen

Von Christine Pierach

"Strategien zur Gewinnung von Fachkräften mit Migrationshintergrund" auch im Landkreis Passau stehen im Mittelpunkt der Info-Veranstaltung, die durch alle Regierungsbezirke zieht. Das überarbeitete Gesetz eröffnet mehr und beschleunigte Möglichkeiten der legalen Zuwanderung aus Drittstaaten zur Ausbildungs- und Erwerbsmigration.

Dazu und zu bereits existenten Strategien und Anlaufstellen informierten als Veranstalter neben Landkreistag, Innenministerium und Gemeindezeitung Regina Konle-Seidl vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und Anne Güller-Frey vom "MigraNet-IQ Netzwerk Bayern" über ein spezielles Förderprogramm. Infostände auch von Bildungsträgern (Sprachkurse), IHK, Handwerkskammer, Wirtschaftsforum, Arbeitsagentur, Jobcenter und Ausländerbehörde sowie der lebhafte Austausch rundeten die Fachvorträge ab.

Schon zu Beginn sprach Landrat Franz Meyer einen Komplex an, den wohl Gesetze allein nie werden regeln können: "Die Fachkräftezuwanderung braucht auch eine Strategie im Hintergrund, um mit und für die zugewanderten Fachkräfte und ihre Familien einen guten Platz in der Mitte unserer Gesellschaft zu gestalten." Sein Landkreis entwickle deshalb ab Sommer "ein Integrationskonzept, das die Aspekte der Integration in allen Lebensbereichen aufgreifen und Leitlinien beschreiben" werde.

Noch aber fehlt ein solches Konzept. Das wurde vor allem in der Podiumsdiskussion mit Arbeitgebern aus der Region deutlich. Hier standen - moderiert von der Bildungskoordinatorin am Landratsamt, Patrizia Hager - vom Johanndesbad Personalerin Christa Steinleitner und Pflegedienstleiter Oliver Kort, von der Berufsakademie Passau Fortbildungsleiterin Christine Lindmeier und von der Knorr-Bremse Andreas Schinhaerl, Ausbildungsleiter in Aldersbach, mit den Referentinnen Rede und Antwort.

"Unser Fachkräfte-Bedarf ist nur mit Leuten aus dem Ausland zu machen", weiß Schinhaerl. In Aldersbach beschäftigt Knorr-Bremse 1000 Mitarbeiter. "Vor zwei Jahren waren es noch fünf bis sechs Prozent, heute haben davon zehn Prozent Migrationshintergrund. Sie kommen aus 22 Nationen, Iran, Irak, Kosovo, Nigeria, das ist bunt gemischt. Wir benötigen die Arbeitskräfte an unserem Standort." Kort bestätigt: "Wir kriegen die Leute aus Deutschland allein nicht mehr, wir sind in Bad Füssing grenznah, beschäftigen mit fast 20 Prozent Migranten, darunter Tschechen, Polen und Ukrainer, auch Österreicher, selbst da gibt es behördliche Probleme. In der Pflege sind die Nationen ostblocklastig. Unter den Ärzten sind welche aus dem Iran, aus Ägypten und Syrien." Dann sprach er an, was der Landrat thematisiert hatte: "Das Problem ist nicht nur das Anerkennungsverfahren mit teils über zwei Jahren Dauer, sondern auch die Integration im Betrieb. Zum Teil kommen die Familien nach, dann geht es erst richtig los."

Der Pflegedienstleiter kennt Beispiele: "Das sind oft banale Themen. Jemand beginnt zu arbeiten und ist nach zwei Tagen krank. Welcher Arzt behandelt ihn ohne Versichertenkarte? Wo können sie einkaufen, wo kriegen sie eine Wohnung, ein Radl, ein Auto her? Gilt der Führerschein? Was für uns selbstverständlich ist, ist für fast alle neu."

Schinhaerl: "Integration klappt nur mit der allseitigen Bereitschaft auf allen Ebenen, nicht nur in der Chefetage, mal mehr zu leisten über die Arbeitszeit hinaus, mal mit denen ins Kino zu gehen. Bei uns hat jeder Ukrainer eine Mentorkraft an der Seite. Es braucht dazu eine gewisse Grundhaltung im Unternehmen. Das ist definitiv keine One Man Show, sondern alle müssen mitziehen". Er wurde konkret: "Bei uns sind es vor allem sprachliche Probleme, da bräuchten wir im ländlichen Raum mehr Unterstützung. Ein Facharbeiter kann nach seiner Schicht nicht noch zwei Stunden Fahrt brauchen zu irgendeinem Deutschkurs. Solchen Unterricht müssen wir anbieten können".

Das unterstrich Hager; es wurde mit allseitigem Nicken bestätigt: "Das A und O ist die Sprachkompetenz, in der Ausbildung und bei der Arbeit, der Integrationskurs reicht nicht. Wir bräuchten mehr kleinteilige, auch berufsbegleitende Sprachkursformate vor Ort. Dafür müssten Betriebe sich zusammentun."

Hauzenbergs Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer klinkte sich ein: "Wir als Kommunen sind genauso befasst. In unserem Kindergarten haben wir aktuell 42 Prozent Migrationsquote. Hauzenberg hat 12 000 Einwohner, darunter 800 mit Migrationshintergrund, 75 davon sind Asylbewerber, 200 arbeiten in großen Baufirmen." Sie schlug vor, digitale Medien für Sprachkurse zu nutzen. Hauzenberg sei digitaler Lernort der Landshuter Hochschule. "Die Technik haben wir. Das sollten wir anbieten, dann können drei Leute in Wegscheid, vier Hauzenberger und zehn Bad Füssinger mit einem Lehrer, der hier in Passau mit zehn Schülern sitzt, Deutsch lernen. Sonst läuft uns die Zeit weg." Das bestätigte Fortbildungsleiterin Lindmeier: "Mein Plädoyer ist, sich erst um die Sprachkenntnisse zu kümmern, sonst zieht sich alles andere auch in die Länge. Das nutzt im Beruf, im Alltag und bei der vorgeschriebenen Kenntnisprüfung." Freistellen werde gefördert, "der Arbeitgeber kann zum Nulltarif eine Hilfs- zur Fachkraft qualifizieren". 

Aber genau diese Bürokratie, die vielen Vorschriften und amtlichen Erfordernisse machen es gerade kleineren Betrieben schwer bis unmöglich, Leute aus Drittstaaten einzustellen. Das beginnt schon beim Anbieten von Praktika. Eine Teilnehmerin wandte ein: "Das ist kompliziert bei Menschen mit Fluchthintergrund, mit Gestattung oder Duldung. Ob für eine Stunde, einen Tag oder eine Woche - ich brauche eine Genehmigung. Das dauert. Das ist gerade in der Gastronomie der Killer. Dann sind da das Mindestlohngesetz und andere Gesetze, was gilt als Schwarzarbeit? Das ist ein Problem. Bei Initiativbewerbungen aus dem Ausland kann ich nicht jedes Mal erst jeden einzeln informieren. Da wäre ein Infoblatt gut, eine Richtlinie, wer was wie lange machen kann. Da sind unsere Behörden zu langsam."

Ein Handwerker berichtete: "Wir sind ein Betrieb mit 35 Leuten, sechs davon sind Migranten. Wir haben oft Initiativbewerbungen. Ich kenne zunächst den Status des Bewerbers nicht, müsste aufwändig rechtlich alles abchecken. Da wäre eine Stelle gut, die ihm da was bestätigt und für ihn ein Praktikum freigibt. Der Bürokratismus ist groß. Wenn wir ihn einfach anstellen, auch wegen Krankenversicherung und Sozialleistungen, gehen wir ein Risiko ein, ob wir ihn dann überhaupt brauchen können. Aber anders hängt er in der Luft. Bei 35 Leuten sind sechs Migranten viel, der Anteil darf nicht zu hoch sein, die Stimmung schlägt schnell um. Die Sprache ist ein großer Punkt. Wir schicken welche auf unsere Kosten in einen Sprachkurs." Hager gab zu: "Da müssen wir unser Angebot verbessern." Bei aller Integrationsförderung "gelten im ländlichen Raum noch einmal andere Koordinaten als in Großstädten mit Mentoren-Programmen & Co., wo immer alles so schön ist. Und es gibt Sachen, die man als Arbeitgeber wissen muss, Basis-Infos, so etwas sollten wir erstellen."

PNP-24.02.2020