Gestritten wird überall: Lizenz zum Schlichten
Alle zwölf Teilnehmer bestehen an der BAP die Prüfung zum Social Mediator Begeistert von dieser Lebensschule
Die Motive der Teilnehmer sind unterschiedlich und doch auch die gleichen. Die einen, besonders Teamleiter, wollen das nun Erlernte beruflich einsetzen, andere auch privat in Diskussionen die Füße auf dem Boden behalten, ihre Sprachlosigkeit in Konflikten überwinden.
Die Teilnehmer haben die Lizenz zum Konfliktlösen bei Thomas Jennrich (4.v.r.) erworben und bekommen das BAP-Zertifikat von Christine Lindmeier (vorne).
Allen geht es um bessere, um konstruktive Kommunikation. Während der 120 Zeitstunden für 160 Unterrichtseinheiten seit Februar haben alle Teilnehmer privat und im Job ihre neuen Fertigkeiten bereits erfolgreich ausprobiert. Bankerin Michaela F. (36) zum Beispiel staunte selbst, allerdings zunächst heimlich, als sie mit ihren Kindern (4 und 7) beim Heimkommen anders reagierte und sofort auch eine andere, eine erwünschte, Reaktion hervorrief: Ihr Sohn hatte seine Jacke wieder mal einfach in dem Flur geworfen, war entfleucht. Sie räumte ihm nicht hinterher, sondern rief ihn zurück, erklärte ihm ruhig, dass Ordnung ihr nun mal sehr wichtig sei, seine Schlampigkeit sie traurig mache. Aufmerksam hörte der Siebenjährige zu, wandte sich um, holte seine Jacke, hing sie an die Garderobe. Die Bankerin freut sich: „Ich habe einen anderen Blick auf Konflikte bekommen, habe gelernt, sie nicht um jeden Preis zu vermeiden. Ich brauche mich nicht mehr jedes Mal persönlich angegriffen zu fühlen, sondern kann zunächst neutral an das Thema herangehen, dem Gegenüber meine Gefühle mitteilen, freundlich sagen, was mir wichtig ist.“
Mit den Kindern, mit dem Lebenspartner, mit Kollegen, mit Konkurrenten gestritten wird überall und ständig, ob im Job, in Familien, unter Erben oder in Vereinen. Neben Fachwissen und Erfahrung werden Zusatzfertigkeiten wie soziale und Führungs-Kompetenz immer wichtiger im Berufsalltag aller Branchen. Ganz allgemein gelte, sagt Thomas Jennrich, der einzigen Ausbilder für Sozialmediatoren im deutschsprachigen Raum, der eben auch an der BAP als Trägerin von vier Berufsfachschulen lehrt: „Jeder Konflikt ist zunächst neutral, er ist weder positiv noch negativ. Es gilt, ihn zu lösen.“ Dabei kann ein Social Mediator professionell helfen. Die Einsatzfelder reichen von der Altenpflege über Betriebsübergaben, Eigentümergemeinschaften, Erbangelegenheiten, Familien, Jugendzentren, Krankenhäuser, KiTas, Nachbarschaften, Pflegeeinrichtungen, Scheidungen und Trennungen, Seniorenheime, Schulen, soziale Einrichtungen, Team- oder Hierarchiekonflikte im Beruf bis zum Streitschlichten in Vereinen.
Hauptsächlich beruflich, wie auch Doris Rathwaller (37) aus Grieskirchen als Personal-Managerin in einem Seniorenzentrum – „jetzt habe ich einen Werkzeugkoffer, um Konflikte anzugehen, der mir bestimmt auch privat hilfreich sein wird“ will Andrea VanHove (48) die neue Kompetenz einsetzen. Die Intensiv-Krankenschwester möchte am Landshuter Klinikum „als Social Mediator tätig sein, weil überall, wo viele Menschen zusammenarbeiten, Spannungsfelder und Klärungsbedarf entstehen. Mediation kann das Arbeitsklima verbessern, überhaupt die Atmosphäre.“ Ihr größtes Aha-Moment im Kurs: „Mediation ist kein Allheilmittel. Sie kann einen Konflikt auch verschlimmern. Dieser großen Verantwortung muss ein Mediator sich unbedingt bewusst sein.“
Beruflich und daheim im Zusammenleben mit Frau und drei Kindern will Birger Höljes (51) das Erlernte nutzen. „Lebensschule“ sagt der Caritas-Werkstattleiter aus Laufen dazu. Die noch junge Ausbildung – es war der zweite Durchgang – findet an der BAP in zwei Modulen statt und endet mit einem Prüfungs-Gespräch. Manche Arbeitgeber übernehmen die Kurskosten oder beteiligen sich daran.
Quellennachweis: PNP_05.08.2017_Christine Pierach